„In der Plattformfalle“ von Geert Lovink

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Plädoyer zur Rückeroberung des Internets

Erschienen in der Reihe „Digitale Gesellschaft “ als Band 52 im August 2022

Print August 2022, 232 Seiten ISBN: 978-3-8376-6333-4
E-Book PDF August 2022, 232 Seiten ISBN: 978-3-8394-6333-8 Dateigröße: 1.7 MB

Geert Lovink

… ist Professor für Kunst und Netzwerkkulturen am Fachbereich Kunstgeschichte der Universiteit van Amsterdam. Der niederländische Medientheoretiker, Internetkritiker und Autor ist Gründer des Institute of Network Cultures in Amsterdam und hat zahlreiche Bücher zu Kritik und Kultur der Neuen Medien publiziert
.
… aus der Verlagsankündigung:
„Wir sitzen alle in der Plattformfalle! Doomscrolling ist die neue Normalität des digitalisierten 24/7-Online-Lebens und scheinbar abhängig von großen Plattformen finden wir nicht mehr ins unbeschwerte Zeitalter dezentraler Netzwerke zurück: Zoom-Müdigkeit, Cancel Culture, Kryptokunst und psychische Regression bilden die zentralen Elemente einer allgemeinen Theorie der Plattformkultur. Geert Lovink zeigt auf, wie wir in dieser Kultur das Internet zu unseren Bedingungen zurückgewinnen können. Er zeichnet eine rückfallbeständige Geschichte vom Aufstieg von Plattformalternativen nach, die auf einem tiefen Verständnis des digitalen Abstiegs beruht.“

REZENSION:

Geert Lovink ist als ausgewiesener Fachmann für den Bereich des Internets, der Kommunikationsplattformen und der darin arbeitenden Kommunikationsdienste, die das Internet für ihre „Geschäftstätigkeiten“ nutzen und davon profitieren, dass es viele Technikinteressierte und „Kommunikationbedürftige“ bevölkern. Geert Lovink hat mehrere Bücher über diese Themen geschrieben und zwei von Ihnen, bei transcript erschienen: „Im Bann der Plattformen“ im Jahre 2017 und „Digitaler Nihilismus“ im Jahr 2018, wurden hier schon vorgestellt und rezensiert.

Das nun neu bei transcript erschienene Buch „In der Plattformfalle“ befasst sich mit der Benutzung der Internetdienste wie „Facebook“ „Twitter“ und „Instagram“, um nur die größten darunter zu benennen, und wie sich daraus die Abhängigkeiten darin bzw. dafür entwickeln, und gezielt erzeugt wurden und weiterhin werden.

Einführend beschreibt er das Geschäftsmodell der Plattformen und wie sie sich entwickelt haben, aus welchen Quellen sie schöpfen und wie sich deren Geschäftsmodell aus der Benutzung durch die User und deren finanziellen Beitrag entwickelt hat. Im ersten Kapitel geht er auf das Programm ZOOM ein, dass sich durch CORONAR ausgebreitet hat und kritisiert, dass hier der Teilnehmer zur Funktion wird und entpersonifiziert zu einem Unterprogramm wird, das sich als ein Bild in einem Raster materialisiert. Jede Individualität geht dabei verloren und wird durch eine Softwareroutine ersetzt.

Er sieht durchaus, dass für die heute real existierenden Plattformen erhebliche materielle und finanzielle Mittel erforderlich waren und sind, für den Aufbau und den Betrieb der technischen und organisatorischen Einrichtungen. Er weist jedoch darauf hin, dass der User durch seine Aktivitäten und die Benutzung der Dienste und Infrastrukturen die Voraussetzungen für die Bildung von Plattformen, deren finanzielle Basis ihre weltweiten Märkte geschaffen hat und jetzt dadurch jedoch in eine „Unmündigkeit“ gefangen wurde. Die Plattformen bestimmen jetzt die Funktion und die Abläufe in den Plattformen und kumulieren ihre finanzielle Entwicklung und weltweite Einflussnahme weiterhin.

In einem abschließenden Kapitel fasst er die derzeitige Situation noch einmal zusammen und schlägt vor, wie die Plattformen reorganisiert werden könnten, indem die Benutzer sich auf ihr Recht zur Unabhängigkeit berufen und sich von den Plattformen lösen und demokratische Strukturen aufbauen. Da die Reorganisation jedoch erhebliche finanzielle Mittel erfordern würde, sieht er eine Möglichkeit in der Demokratisierung der Internets, d.h. der Staat baut die Infrastrukturen auf und stellt sie den Akteuren unverbindlich zur Benutzung zur Verfügung. Das Ziel sollte dann nicht Kapitalkumulierung und Einflussnahme sein, sondern Vielfalt der Meinungen sein.

Hört sich Alles sehr vernünftig an, macht jedoch den Eindruck eines letzten Hilferufs auf dem Wege zum Untergang bzw. der Unmündigkeit. Für ein Umlenken der Lawine gibt es wohl nur noch wenig reale Möglichkeiten. Dazu gehört die Einsicht der User in ihre Abhängigkeit, der Gedanke einer Existenz ohne die Plattformen und die Usergemeinschaft ohne die scheinbare Aussicht schnellen Reichtums oder Einflusses. Schade Drum, der Gedanke einer Rekonstruktion und Demokratisierung ist verlockend.

Peter Dahms [www.Dahms-Projekt.de/wordpress]