„Neue Methoden der Theaterwissenschaft“

Meinungen Rezensionen Literatur

Benjamin Wihstutz / Benjamin Hoesch (Hg.)

Aus der Reihe „Theater | Band 133“ – transcript-verlag

Vom November 2020

278 Seiten kart.,Dispersionsbindung, 10 SW-Abbildungen, 5 Farbabbildungen

ISBN 978-3-8376-5290-1; E-Book (PDF) ISBN  978-3-8394-5290-5

Benjamin Wihstutz ist Juniorprofessor für Theaterwissenschaft an der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz.

Benjamin Hoesch ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der ortsverteilten DFG Forschungsgruppe
»Krisengefüge der Künste. Institutionelle Transformationsdynamiken
in den Darstellenden Künsten« an der Universität Gießen.


… aus der Verlagsankündigung:

Die Theaterwissenschaft ist im Umbruch: Neue Forschungsgebiete, interdisziplinäre Verbundprojekte sowie aktuelle Entwicklungen in den performativen Künsten erfordern ein Überdenken methodischer Ansätze, zentraler Begriffe und Herangehensweisen des Faches. Die Beiträger*innen liefern interdisziplinäre Positionen zu methodischen Fragen und Verfahren aktueller theaterwissenschaftlicher Forschung. Die Schwerpunkte liegen dabei auf Erweiterungen der Aufführungsanalyse, neuen Theaterhistoriografien sowie der Institutionenforschung. Aber auch die Theaterwissenschaft selbst wird in ihrer Ausrichtung in Anlehnung und Abgrenzung zu anderen Disziplinen sowie dem im Fach immer wieder neu zu bestimmenden Verhältnis von Theorie, Empirie und Geschichtsschreibung umfassend rekapituliert


REZENSION:

Die Theaterwissenschaft sieht sich in einer Umbruchphase, verschiedene Ursachen lassen sich verorten: „Neue Forschungsgebiete, interdisziplinäre Öffnungen sowie Auseinandersetzungen mit dem gesellschaftlich-politischen Selbstverständnis des Faches und seiner Geschichte haben zur Kritik an zentralen theaterwissenschaftlichen Diskursen und Begriffen geführt.“ (7)
Seit 2015 bis 2019 und darüber hinaus wurde auf mehreren Workshops, durchgeführt von und mit Teilnehmer*innen aus verschiedenen Institutionen der Theaterwissenschaft daran gearbeitet, Lösungen für diese Probleme zu finden. Im Februar 2017 wurden diese Themen auf einer Tagung behandelt und die Ergebnisse als Tagungsband veröffentlicht. Der vorliegende Sammelband soll daran anknüpfen aber die Ergebnisse dieser Vorarbeiten nicht ersetzen.
„Die Frage nach den Methoden der Theaterwissenschaft steht, wenn auch nicht immer explizit adressiert, im Zentrum dieses Aufbruchs. Es geht somit weniger um das Was (Gegenstand) als vielmehr um das Wie (Vorgehensweise) theaterwissenschaftlicher Forschung und damit nicht zuletzt um die Frage, wie Untersuchungen konkret durchgeführt werden sollen, welche Werkzeuge, Verfahrensweisen und Perspektiven als sinnvoll und erkenntnisweisend anerkannt werden und welche Wege die theaterwissenschaftliche Forschungspraxis in Zukunft einschlagen wird.“ (7-8)
Während der Tagungsband eine Auswahl von Arbeiten publizierte, die mit etablierten Methoden der Theaterwissenschaft bearbeitet wurden, soll der vorliegende Sammelband sich mit Forschungsprojekten befassen, bei deren Bearbeitung sich herausstellte, dass es erforderlich wurde, diese Methoden und ebenso das theaterwissenschaftliche Umfeld einer neuen Denkweise und einer Erweiterung zu unterziehen. Die Bereiche, in denen eine Weiterführung oder ein Neuansatz erforderlich erschienen gliedern sich in die folgenden drei Hauptfelder:

– Erweiterungen der Aufführungsanalyse
– Neue Historiografien
– Theaterwissenschaftliche Organisations- und Institutionsforschung

Dieser Band fasst die Ergebnisse und Anregungen aus diesen Forschungsprojekten unter diesen drei Punkten zu Kapiteln zusammen. Aus den Ergebnissen dieser Studien lässt sich schließen, dass „…die in interdisziplinären Kooperationen oder gegenüber neuen Forschungsgegenständen auf ein Ungenügen des theaterwissenschaftlichen Methodenbestands gestoßen sind und daraus neue Verfahren, neue Methoden-Kombinationen oder ein neues Verhältnis von Theorie und Empirie gewinnen.“ (10)

Es zeigt sich bei allen diesen Beiträgen, dass das Problem darin liegt, dass in der heutigen Theaterwissenschaft streng mit den zugrunde liegenden, allgemein anerkannten Methoden gearbeitet wird und dass sich die Forschung dabei jedoch in zu engen, sogar teils überholten Grenzen bewegt und es deshalb erforderlich wurde, z.B. bei der Aufführungsanalyse, sich nicht nur auf die allgemein praktizierte Perspektive des Zuschauers zu beschränken.

Als Lösung wird u.a. vorgeschlagen, dass es erforderlich ist, sich z.B. als Ergänzung und Erweiterung der Sicht der Arbeits- und Forschungsweise der Ethnologen zu bedienen, um die überkommenen Methoden der Theaterwissenschaft zu erweitern und weitere Grundlagen zu erschließen. Dazu gehört die Berücksichtigung der Entstehung der Aufführungen in der Probenarbeit, im Weiteren dem Umfeld im Bereich der Entwicklung der Inszenierung und aus der Arbeit der ans der Basis des Theaterbetriebes Tätigen zu forschen. Diese Vorschläge ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Beiträge dieses Sammelbandes.

Interessante Perspektiven ergeben sich aus der Lektüre dieses Sammelbandes, der aus einem neuen Blickwinkel Erkenntnisse aus allem drei Methodenfeldern ermöglicht. Von der Analyse zur Empirie in der Theaterwissenschaft, Erweiterung der Forschung anstatt das Beharren auf etablierte Methoden der Aufführungsanalyse allein und damit eine Formung oder Betrachtung von erweiterten Erkenntnis- und Betrachtungsräumen.

Peter Dahms [www.Dahms-Projekt.de/wordpress/ ]